Die verkannten Grundlagen der Ökonomie – Wege zu einer Caring Economy

Samstag, 05.10.2024, 11 – 13 Uhr: Unter dem Motto „Vom Bewusstsein zur Aktion“ führte Ulrike Brandhorst in die inspirierende Arbeit von Riane Eisler ein und löste damit eine sehr spannende Diskussion aus, die das Thema ‚Care‘ von vielen Seiten beleuchtete.

Bilder vom Herbsttreffen 2024 gibt es im Album!

Es gibt einen grundsätzlichen Konstruktionsfehler in unserem Wirtschafts- und Gesellschaftssystem, der so lange nicht weiter auffiel, bis Menschen (immer noch meist Frauen) neben der Sorgearbeit für Kinder, behinderte Menschen, alte Menschen etc. auf den Arbeitsmarkt drängten. Ist sie unbezahlt, wird die Sorgearbeit als Privatsache marginalisiert und in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung vergessen. Ist sie bezahlt, wird sie ebenfalls geringgeschätzt und die dazu erforderlichen Kosten werden als Belastung für den Staat angesehen, statt als notwendig Voraussetzung für eine florierende Wirtschaft.

Die verkannten Grundlagen der Ökonomie – Wege zu einer Caring EconomyWie es anders gehen kann, zeigt die international anerkannte Systemwissenschaftlerin Riane Eisler in ihrem Buch „The Real Wealth of Nations“. 2020 ist eine deutsche Fassung erschienen mit dem Titel: „Die verkannten Grundlagen der Ökonomie, Wege zu einer Caring Economy“. Die Initiatorin und Übersetzerin der deutschen Fassung, Ulrike Brandhorst, berichtete an diesem Vormittag aus dem Buch und richtete dabei vor allem den Fokus darauf, wie wir uns von diesen falschen Grundannahmen befreien und ein nachhaltiges und menschengerechtes (Wirtschafts-)System aufbauen können.

Die Moderation übernahm Barbara von der Mark.

Wie bei jedem AKF-Herbsttreffen war anschließend noch Gelegenheit zum gegenseitigen Kennenlernen und Netzwerken.

Aus der Diskussion:

Eine Teilnehmerin wies auf die Wohlfahrtsverbände als wichtige Akteure im Feld hin, eine andere auf die Situation von Selbstständigen zwischen Markt und Ehrenamt: für Solo-Selbstständige sei es schwer, bezahlbare Angebote zu schaffen und davon ein Auskommen zu haben, wenn zugleich die Profitorientierung das allgemeine Denken dominiert. Ulrike Brandhorst nahm diesen Gedanken auf und verwies auf Krankenhäuser als Aktiengesellschaften – hier müsse die Zivilgesellschaft reagieren!

Als weitere Beispiele für den Gegensatz zwischen Profitgier und Care wurden im Verlauf der Diskussion noch die Pharmaindustrie und die Cum-Ex-Aktivitäten von Banken genannt. Auch Berichtspflichten als Möglichkeit des Gegensteuerns kamen zur Sprache.

Andere Redebeiträge bestätigten aus eigener Erfahrung, dass Care-Arbeit nicht gesehen wird und sich besonders bei Frauen negativ auf die Rente auswirkt. Wichtig ist es, die Sichtbarkeit der Care-Arbeit zu erhöhen, z.B. auch durch die Ankündigung einer Veranstaltung wie dieser, damit das Thema präsent bleibt. Auch sollte für bezahlte Arbeit der Begriff ‚Erwerbsarbeit‘ verwendet werden, damit die unbezahlte Care-Arbeit nicht vom Arbeitsbegriff ausgeschlossen.

Ein Teilnehmer berichtete, dass er sich durch das Thema angezogen gefühlt hatte. Wichtig ist ihm, dass Care nicht nur auf Pflege und Kinderbetreuung reduziert wird, sondern der gesamt Bereich der Fürsorge in den Blick genommen wird. Als Beispiel nannte er die veralteten Weichen bei der Bahn.

Ein weiterer Redebeitrag lenkte die Aufmerksamkeit auf den soziologischen Begriff der Care Chain (Fürsorgekette). Ulrike Brandhorst bestätigte, dass dieser von Riane Eisler ebenfalls berücksichtigt wird. Anders verhält es sich jedoch mit Self Care, die Selbstfürsorge betrachtet Riane Eisler nicht, denn ihr Fokus liegt auf dem Wirtschafts- und Gesellschaftssystem.

Eine andere Teilnehmerin fragte nach, ob Riane Eisler auch auf die Ideengeschichte der Frauenbewegung eingeht. Dies konnte von Ulrike Brandhorst mit ‚ja‘ beantwortet werden.

In nächsten Redebeitrag ging es um die Frage ‚Wie gehe ich mit der Gemeinschaft um?‘ Ein positiver Umgang miteinander macht gute Gefühle. Müll einfach in die Gegend zu werfen, ist das Gegenteil von Gemeinschaft und Care.

Dass Care auch eine Haltung sein sollte, wie von Riane Eisler gefordert, bestätigte eine weitere Teilnehmerin am Beispiel des betrieblichen Gesundheitsmanagements, das zwar vom Staat gefördert, aber sehr oft nur halbherzig umgesetzt wird, weil die oberste Ebene nicht dahintersteht.

Eine andere Teilnehmerin erinnerte daran, dass Fürsorglichkeit natürlich in uns angelegt sei. Darauf brachte eine Teilnehmerin ein, dass es bei Care auch um Liebe gehe, dies jedoch beim toxischen Mutterideal völlig pervertiert werde.

Eine weitere Teilnehmerin erinnerte daran, dass eine Care-Haltung durchaus auch mit Empörung einhergehen kann. Care bedeute auch Kampf gegen das Patriarchat: „Auch die nettesten Edelmänner wünschen sich noch immer eine dienende Frau.“

Dies bestätigte eine junge Teilnehmerin: „Nur, wenn dafür gekämpft wird, ändert sich etwas!“ Am besten gehe das gemeinsam.

Damit wird auch verhindert, dass sich Frauen in die traditionelle Frauenrolle zurückziehen und / oder in kleineren Projekten selbst ausbeuten, ergänzte eine weitere Teilnehmerin.

Ulrike Brandhorst fasste zusammen: es gehe darum, sich zu vernetzen, die Fortschritte zu sehen, in kleinen Schritten voran zu gehen und sich selbst dabei nicht zu vergessen.

Weitere Teilnehmerinnen ermutigten zudem, sich durchaus auch in demokratischen Parteien zu engagieren, um das Land mitzugestalten, oder z.B. in Seniorenvertretungen, im Betrieb, in Schulen und Hochschulen das Thema Care offensiv zu vertreten.

Veranstaltet in Kooperation mit der Melanchthon-Akademie Köln, www.melanchthon-akademie.de.

Die war die Einladung: Die verkannten Grundlagen der Ökonomie – Wege zu einer Caring Economy 05.10.2024 (pdf-Datei, 234 KB)

Veranstaltungsort:
Haus der Ev. Kirche, Kartäusergasse 9 , 50678 Köln, Lageplan